Heinrich Horstmann fuhr 1895 als erster Deutscher auf dem Fahrrad um die Welt. Nicht mal volljährig und gegen den Willen seiner Eltern schloss Horstmann eine notarielle Wette über 20.000 Mark: ohne einen Pfennig starte er und käme doch vermögend wieder…
Ein Teil seines Planes war, seine Berichte von unterwegs an interessierte Zeitschriften zu verkaufen. Während vor der Reise viele Zeitungen über Horstmanns Reisepläne schrieben, berichtete dann nur noch der „Radfahr-Humor“.
Hier als Beispiel die beleidigte Reaktion der „Allgemeinen Radfahrer-Zeitung“:
Illustrirte Allgemeine Radfahrer-Zeitung Nr. 16 (Wien) 20. April 1895:
Ein deutscher Radfahrer auf der Welttour.
Nach amerikanischem Muster wird nun auch ein Rheinpreusse, Herr H. Horstmann aus Barmen, eine Reise auf dem Zweirade um die Welt unternehmen. Derselbe hat mit fünf Elberfelder Herren gewettet, diese Reise innerhalb zwei Jahren zu machen, ohne einen Pfennig Geld vorher zu besitzen, und will doch M. 5000 später mitbringen, welchen Betrag er durch Vorträge seiner Reiseerlebnisse u. s. w. zu verdienen hofft. Die Wette ist notariell abgeschlossen worden und haben die fünf Elberfelder Herren je M. 4000, also zusammen M. 20.000, zu deponiren, welche dem kühnen Radler nach Durchführung seiner Wette zufallen. Auch ist der Fall vorgesehen worden, dass, falls der Weltreisende verunglückt, die genannte Summe seinen nächsten Verwandten gehört. Herr Horstmann ist eine kleine untersetzte Person, Kaufmann, 2I Jahre alt, sehr intelligent, spricht vier verschiedene Sprachen und ist hier als Kartenkünstler, Zauberer und Bauchredner eine gern gesehene Persönlichkeit. Laut Vertrag bestimmen die betreffenden Herren einen Termin, an dem Horstmann Mittags von allem Gelde entblösst wird; an diesem Tage wird dann derselbe im Centralhotel einen Vortrag halten, wie er seine Reise durchzuführen gedenkt und eingetheilt hat. Durch diesen Vortrag muss sich der Weltreisende also die ersten Unkosten der Reise verdienen, ebenso wird er in Elberfeld, Düsseldorf, Köln u. s. w. Vorträge halten. Die Reise selbst soll Ende April angetreten werden und zunächst über Brüssel nach Antwerpen gehen, von dort nach London, Birmingham, Manchester und von Southampton aus per Schiff nach New-York. In Amerika sollen sämtliche grösseren Städte besucht werden, worauf die Reise von St. Francisco aus über die Sandwich-Inseln nach Yokohama in Japan weitergeht. Japan soll bis zur Westküste durchquert werden, die Weiterreise soll per Schiff nach Shanghai erfolgen. Von da aus soll der Weg südlich nach Tonkin gehen, quer durch Anam, Siam und Indien über Birma nach Calcutta und Bombay, dann zu Schiff wieder nach Karatschi und weiter per Rad nördlich durch Indien nach Beludschistan, Afghanistan, Persien zur Hauptstadt Teheran, sodann durch Kleinasien (Palästina). Von einem dortigen Hafenplatz wieder weiter zu Schiff nach Nord-Afrika und dann entweder über Lissabon, Portugal, Spanien und Frankreich nach Triest durch Österreich nach Barmen zurück.
All Heil! dem Weltradler!
Am 2.Mai 1895 begann Horstmann sein waghalsiges Unterfangen.
Er hatte offenbar recht kurzfristig mit der Zeitschrift „Radfahr-Humor“ exklusive Abdruckrechte seiner regelmäßigen Reiseberichte von unterwegs ausgehandelt… denn nur wenige Tage später schreibt die gleiche Zeitschrift …
Illustrirte Allgemeine Radfahrer-Zeitung Nr. 21 (Wien) 25. Mai 1895:
Ein Zweifelhafter Weltumfahrer.
Im „Deutschen Radfahr-Bund“ lesen wir: Reisen um die Welt sind jetzt an der Tagesordnung, und nach berühmten Mustern entschloss sich Heinrich Horstmann zu einer solchen auf dem Zweirade. Rasch wurde ausposaunt, es sei eine Wette abgeschlossen, sogar notariell, alle Zeitungen wurden mit Nachrichten bedacht, und der Held bereitete sich auf die Fahrt vor, indem er die auf der Speisenkarte einer Wirthschaft verzeichneten Speisen in ununterbrochener Reihe herunterass, Kartenkunststücke zeigte, in der Bauchrednerkunst glänzte u. s. w. mittlerweile sah er sich nach einer Fabrik um, die ein Zweirad stellte und noch zuzahlte. Endlich wurden Vorträge gehalten, worin Horstmann sagte, er könne heute nichts berichten, ihm ginge es nur ums Eintrittsgeld, wenn er wiederkäme, wisse er mehr zu erzählen. Solch ein Vortrag dauerte etwa 15 Minuten. Ein bepacktes Niederrad wurde auch gezeigt, aber es gehörte vorläufig noch der Fabrik, die einen Wächter daneben gestellt hat. Der mit viel Wichtigkeit erwähnte notarielle Act über die Wetre auf 20.000 Mark kam indess nicht zum Vorschein, und allen Aufforderungen zur Vorlegung wich Horstmann mit Ausflüchten aus, versprach wohl Vorzeigung, hielt aber nie Wort. Da er nun kürzlich unsere Bundeszeitung für seine Reclame zu benutzen anfing, muss darauf hingewiesen werden, dass es sich nicht um ein wirklich sportliches Unternehmen handelt, sondern um ein Abenteuer, welches mit Schwindel ins Werk gesetzt zu werden scheint von einem jungen Manne, dem man kein Vertrauen entgegenbringen kann. Horstmann behauptet, zum Controlor für eine gewisse Strecke sei seitens der wettenden Herren Jemand ernannt, der sogleich in den Zeitungen das Gegentheil erklären liess. Also Wahrheitsliebe fehlt, danach wird man sich zu richten wissen.
Die Ostmark (Wien) Nr. 33; 4. Dezember 1895
Heinrich Horstmann, Barmen, der bekanntlich im Laufe der heurigen Saison seine Zweiradreise um die Erde angetreten, veröffentlicht in Nummer 17 des „Radfahr-Humor „ einen lesenswerten Bericht über seine Fahrt von Philadelphia resp. New-York nach Albany.
Buch: Reprint seiner Aufzeichnungen
Story: Wiederentdeckt: Deutschlands erster Weltumrunder auf dem Fahrrad