Der Reisetipp für`s Corona-Oster-Wochenende

20191205_Rahmenbau_Umschlag-500Wir sind gerade in frühere Zeiten zurückversetzt, in denen das Reisen nicht so einfach möglich war und nicht wie selbstverständlich zum guten Ton des gebildeten Menschen gehörte. Eine Zeit, in der Reiseliteratur nicht das meinte, was man zum minutiösen Planen von All-Inclusive-Trips braucht oder zum Abarbeiten beliebter Fotomotive für Instagram. Sondern die Bühne, die begabte Erzähler bekommen, um andere mit ihren Erfahrungen zu fesseln. Ein Paradebeispiel dieser Gattung ist Thomas Bochets „Von Menschen und Rädern“ (Maxime-Verlag 2019, 288 Seiten, 39,50 Euro, ISBN 978–3‑906887–11‑1)


Die ganze Welt zwischen zwei Deckeln
eine Osterreise von H. David Koßmann [pd-f]


Porträt_ThomasBochet
Thomas Bochet

 

Der Genfer besuchte 2017 während einer sechswöchigen Radreise 13 europäische Rahmenbauer – darunter die Zürcher Werkstatt von Röbi Stolz, der die Idee zu dem Projekt hatte und wo auch das Vehikel für diese Reise entstand. In Foto und Text porträtiert Bochet sehr unterschiedliche Kunsthandwerker und erforscht ihre Inspiration und ihre kulturellen Verwobenheiten. Heraus kommt ein Buch wie ein gutes Brot, schwer, aromatisch und nahrhaft. Es ist, passend zum Sujet, aufwendig gefertigt; eine offene Fadenbindung hält die starken Deckel zusammen. Die hingebungsvolle Gestaltung zeigt die Werkstattbesuche im Quer‑, die Reiseetappen im Hochformat.
Der Autor beschreibt nicht platt, er interpretiert, deutet und ergründet – gerade genug, um den Besuchten und ihrem Ansinnen Gesicht zu geben, und doch so knapp und präzise, um Luft und Gedanken zuzulassen. In der Werkstatt des einen erkennt der wache Beobachter ungeschönt dessen Ringen mit sich selbst, anderswo erlebt er indes ein Selbstbewusstsein, das so nur aus Dynastien stammen kann. Er berichtet aus fast klinischen Labors und lebendigem Chaos, von gelassenen Granden und quirligen Neulingen – denen allen eins gemeinsam ist: die meisterliche Fertigung wunderschöner Fahrräder.
Ich würde mir wünschen, dass uns von der Krise bleibt, dass wir uns bewusster und ja, deutlich seltener, motorisiert in alle Himmelsrichtungen verfügen. Stattdessen wünsche ich uns, dass wir öfter genüsslich an Geschichten teilhaben dürfen, Geschichten wie diesen.


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–> eine Rezension von velofahrer.ch

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Neuerscheinung und Vernissage