Vereinigung von Einzelfahrern

Die Geschichte der 1889 in Leipzig gegründeten Vereinigung von Einzelfahrern:


Ein Gastbeitrag von Wolfgang Schoppe


Die Zeitschrift „Stahlrad“ berichtete im August 1889 folgendes:
Verschiedene Einzelfahrer des Gaues 21 Leipzig haben behufs besserer Wahrung ihrer Interessen eine Vereinigung für die Einzelfahrer des genannten Gaues gegründet. Die Vereinigung soll eine möglichst zwanglose sein, um den Charakter Einzelfahrer zu bewahren.
Der Beitrag ist äußerst gering und beträgt nur 1M. Vorsitzender ist Robert Matthäi, Leipzig, Windmühlenstraße 18. Schriftführer: Oscar Gläsel, Leipzig, Täubchenweg 11. Versammlungen mittwochs Abends halb 9 Uhr Magdeburger Bierhalle, Leipzig, Nicolaistraße.
Anmeldungen zum Beitritte werden vom Vorsitzenden oder am Versammlungsabende entgegengenommen.

Bereits am 04.12.89 gab es die erste Veranstaltung:
Die „Vereinigung von Einzelfahrern“ des Gaues 21 hielt am 4. d. M. in dem Saale des Siebenmännerhauses hier ihren ersten Familienabend ab. In dem vom Vorsitzenden Herrn Robert Matthäi gesprochenen Prolog wurden die Anfeindungen gestreift, denen die Einzelfahrer hier ausgesetzt sind, und betont, dass die letzteren durch ihre Vereinigung nichts weiter bezwecken, als dass man sie als gleichberechtigte Bundesmitglieder betrachte, sowie dass sie den lebhaften Wunsch hätten, mit allen Clubmitgliedern in Eintracht zu leben. Die nun folgenden musikalischen Gesangs- und humoristischen Vorträge brachten die Anwesenden bald in eine gehobene Stimmung. Hervorzuheben sind besonders zwei Lieder für Sopran, die von einer schneidigen Radfahrerin, welche neben unserem Sport auch dem Studium des Gesanges obliegt, in brillanter Weise gesungen wurden. – Das obligate Tänzchen hielt die Theilnehmer bis in die Morgenstunden in fröhlicher Stimmung beisammen. Jedenfalls kann die thätige Vereinigung mit Befriedung auf die erste festliche Veranstaltung zurückblicken.

Was sind Einzelfahrer? (aus Stahlrad von 1890)
Im vorigen Jahrgange unseres Blattes haben wir bereits die Nothwendigkeit erwähnt, von Bundeswegen auch den Einzelfahrern, außer den Bundesabzeichen, noch besondere Abzeichen zu gewähren. Wie das Clubmitglied sein Clubabzeichen als Erkennungszeichen, daß es dem oder jenem Club angehört, trägt, so soll der Einzelfahrer ein Abzeichen tragen, das ihn sofort als Einzelfahrer erkennen lässt. Es ist dies jetzt um so eher an der Zeit, als bereits einzelne Gauverbände das sehr hübsche Abzeichen von A. Laue Nachfolger A. Stübbe in Berlin obligatorisch für ihre Einzelfahrer eingeführt haben, und wir es vom Standpunkte der einheitlichen Durchführung lieber officiell anerkannt sehen möchten, umsomehr, als die Zahl der Einzelfahrer mit jedem Jahre ganz bedeutend zunimmt, und die Beschaffung eines Abzeichens für dieselben wohl nur eine Frage der Zeit sein kann. Wenn auch ohne Zuthun des Bundes das bekannte Einzelfahrer-Abzeichen sich sehr rasch weiter einbürgern wird, so möchten wir doch dafür eintreten, dass es als offizielles Abzeichen anerkannt werden möge.

Abzeichen der Vereinigung der Einzelfahrer
Abzeichen der Vereinigung der Einzelfahrer

Die Institution der Einzelfahrer, die im Allgemeinen noch viel zu wenig beachtet wird, obwohl dieselbe meistens aus Fahrern in gereifterem Alter besteht, denen das Clubleben nicht passt, ist sie diejenige, die in den meisten Gauverbänden höheren Beitrag bezahlt als Clubmitglieder, und die mit Unrecht in vielen Gauverbänden oft recht sehr verkannt und demgemäß behandelt wird, als ob sie nicht existierte.

Nicht allein, dass die Einzelfahrer im D.R.B. keine Rechte besitzen, denn sie haben weder Vertretung bei den Bundestagen, noch auch in den Gauverbänden, oder in ersteren doch höchst selten, obschon es ja freigestellt ist, Einzelfahrer als Vertreter in die Gau- wie in die Bundestage zu schicken ist, auch in den Statuten des D.R.-B. kein Paragraph, der die Gauverbände verpflichtet, im Verhältnis in gleicher Anzahl wie die Clubs ihre Gau-Delegirten wählen, sie auch von den Einzelfahrern zu entnehmen, z. B. von je 20 Einzelfahrern 1 Delegirter.

Auch hierüber müssten besondere Bestimmungen getroffen werden, die den Einzelfahrern die gleichen Rechte einräumen, wie Clubmitglieder sie genießen. Es kann zwar hier eingewendet werden, es stehe den Einzelfahrern frei, ihre Delegirten zu bestimmen; das geht aber in den meisten Fällen nicht, weil die Einzelfahrer keine Körperschaft sind, und sich gegenseitig nicht einmal kennen. Die Delegirten der Einzelfahrer müssten jeweilig an den Gautagen gewählt werden, ein derartiger Antrag am nächsten Bundestage würde gewiss genügende Unterstützung finden.

Die Einzelfahrer sind eine Macht im D. R.-B. mit der zu rechnen ist, wir schätzen dieselben auf ca. 15%, gerechter Weise gebührten denselben daher bei den Bundestagen 15 Stimmen, und entsprechend mehr in den Gauverbänden.

In diesem Sinne wünschten wir eine präzise Auffassung und Beachtung der über das Verhältnis des Wachsthums des D. R.-B. an Zahl zunehmenden Einzelfahrern. (Th. W.)


Gastbeitrag: Das erste Damenrennen in Deutschland