Erstes Damenradrennen in Deutschland am 13. Juli 1890

Vor 127 Jahren, am 13. Juli 1890 fand in Sachsen das vermutlich erste Damenrennen Deutschlands statt.


Wolfgang Schoppe vom SRB erinnert an diesen richtungweisenden Wettkampf.


Die maßgeblichen Organisatoren der Veranstaltung gehörten dem DRB an, wollten sich jedoch nicht einem Verein anschließen, sondern ihre Eigenständigkeit als Einzelmitglieder pflegen.

Sie waren sehr aktiv und gingen mit ihrem weitschauend durchgeführten Frauenrennen in die Radsportgeschichte ein. Nachstehend der Originalbericht dieses Ereignisses, den wir ungekürzt zur Kenntnis geben. Er stammt aus der Zeitschrift „Stahlrad“ aus dem Jahre 1890.
Viele andere Zeitungen der damaligen Zeit berichteten ebenfalls durchaus positiv über dieses Ereignis. So stellte das Leipziger Tageblatt fest, dass „die Vereinigung der Einzelfahrer unseres Wissens mit dem Damen-Wettfahren einen Anfang gemacht hat, auch wenn die Idee für den ersten Augenblick sonderbar erscheint. Es ist doch nicht zu verkennen, dass, wie das Radfahren überhaupt, die Gesundheit befestigt wird und den Körper stärkt, sowie ein in gemessenen Grenzen gehaltenes Wettfahren zur Stählung der bei manchen so wenig anzutreffenden Willenskraft beizutragen imstande ist.

Das Sommerfest der Vereinigung „Einzelfahrer“ des Gau 21, Leipzig des D. R.-B.
Zur Feier des einjährigen Bestehens der Vereinigung hielt dieselbe Sonntag, den 13. Juli ein Sommerfest in Machern, verbunden mit einem Wettrennen für Herren und Damen ab. Die Betheiligung am Feste war eine sehr zahlreiche, wozu das wider Erwarten eingetretene so überaus günstige Wetter viel beigetragen hat. Bei der Abfahrt früh von Leipzig lachte die Sonne, die tagelang nicht zu sehen war, so freundlich entgegen, dass jedem Theilnehmer das Herz höher schlug. Um 8 Uhr begann das Herren-Rennen auf der Strecke Gerichshain-Machern-Deuben und zurück bis Machern (13 km).
1) Dreiradfahren. 4 Nennungen, 4 am Start. 1. Max Rabe in 34 Min.; 2. Robert Matthäi in 34:15; 3. Oskar Gläsel in 34:45.
2) Niederradfahren. 7 Nennungen, 6 am Start. 1. Bernhard Müller in 26:30; 2. Paul Bobritz in 28 Min.; 3. Otto Rabe in 28:15.
3) Hochradfahren. 4 Nennungen, 4 am Start. 1. Franz Börner in 27 Min.; 2. Max Behrenz in 29 Min.; 3. Johannes Schultze in 30:15.

Naumanns Saxonia

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Mit einem der beiden abgebildeten Räder dürften die Damen ihr Rennen bestritten haben. Es waren entweder die in Leipzig gefertigten Maschinen von Paul Focke oder die Dresdner Naumann-Räder, die Karl Robert Bruno Naumann herstellte und die später unter dem Namen der Firma „Seidel & Naumann“ bekannt wurden. (Quelle: Radsportarchiv Schoppe)

Um 10 Uhr folgte das Damen-Rennen (Dreiräder) von Gerichshain bis Machern (3 km). 4. Nennungen, 4 am Start. 1. Frau Matthäi in 8 Min., 2. Frl. Müller in 9 Min.; 3. Frl. Streubel in 10 Min., dicht hinter ihr Frau Gläsel. In Anbetracht der Steigung von Gerichshain aus sind die Leistungen der Damen, insbesondere der ersten, als sehr gute zu bezeichnen. Frau Matthäi nahm die Steigung in tüchtigem Spurt und sicherte sich damit den 1. Preis.

Die Preise waren fast sämmtlich von den Mitgliedern gestiftet und befanden sich darunter mehrere im Werthe von 6,8 und 10 Mk., sowie einer im Werthe von 25 Mk. Erster Damenpreis: eine schwarzseidene Schürze und eine Broche. Zweiter: eine ebensolche Schürze. Dritter: ein sehr praktischer Schreibkasten. Vierter (Trostpreis): ein Briefbeschwerer, dessen Griff im Innern eine hübsche Winterlandschaft darstellt.
Von halb 11Uhr ab fand ein gemüthlicher Frühschoppen im Garten des Bundes-Gasthauses zu Machern und um 12 Uhr gemeinschaftliches Mittagessen im Saale statt. Die Festrede hielt der Vorsitzende, Herr Robert Matthäi. Er betonte, dass die Vereinigung vor einem Jahre ins Leben gerufen worden sei, um die Interessen der Einzelfahrer zu wahren und unsern schönen Sport durch anständiges Auftreten zu heben. Es sei in diesem Jahre Manches erreicht worden, sodass die Vereinigung heute mit einiger Befriedigung auf ihre Thätigkeit in dieser Zeit zurückblicken könne. Unser Bestreben werde aber immer dasselbe bleiben: in der bescheidensten Weise so weiter zu wirken wie bisher. Am Schlusse brachte der Herr Redner ein dreifaches All Heil auf das fernere Gedeihen der Vereinigung und auf den Sport aus, welches begeistert aufgenommen wurde.

Der Schriftführer, Herr Oskar Gläsel, toastete auf die radfahrenden Damen der Vereinigung, die durch ihre Betheiligung nicht nur mitwirken, das noch bestehende Vorurtheil gegen das Fahren der Damen zu beseitigen, sondern die durch ihre Anwesenheit bei den Zusammenkünften und gemeinschaftlichen Ausfahrten einen ausgleichenden Einfluss ausgeübt haben, wenn irgend welche Meinungsverschiedenheiten entstanden waren.

Begeisterte Zustimmung fand der Toast des Herrn Rabe sen., welcher den Stiftern der vielen und werthvollen Preise galt. In das denselben ausgebrachte „All Heil“ wurde stürmisch eingestimmt.

An das gemeinschaftliche Mittagessen schloss sich die Vertheilung der Preise an. Verschiedene Damen und Herren erhielten Extrapreise, ebenso erhielten mehrere der Herren Trostpreise, so dass fast keiner ganz leer ausging.

Um 3 Uhr ordneten sich die Festtheilnehmer zu einem Corso. Eine große Anzahl derselben hatte weiss-grüne Schärpen angelegt. Voran fuhr der Musikwagen, dann folgten die Damen auf Dreirädern, Rovern und Tandems, hieran anschliessend die Herren. Die Zahl der Maschinen betrug mindestens 50. Der Corso bot für die vielen Einheimischen und Fremden ein ebenso interessantes wie eigenartiges Schauspiel. Der Eindruck, den der Corso auf die Zuschauer machte, war nach den vielfachen Aeusserungen ein sehr guter.

Nach einem Besuche des ausgedehnten Parkes und der einen prächtigen Rundblick bietenden Ritterburg an der östlichen Grenze desselben fanden sich die Sportskollegen wieder im Garten des Gasthofs zusammen, wo die übrige Zeit durch Prämienschiessen nach Scheiben und einem Stern, sowie durch Gesellschaftsspiele und Tanz in der angenehmsten Weise ausgefüllt wurde.

Wir bringen den vorstehenden Bericht mit besonderer Befriedigung zum Ausdruck, weil aus demselben hervorgeht, dass die Einzelfahrer, wenn sie sich in dem Bestreben zusammenthun, gemeinschaftlich Etwas auszuführen, das dem Sport zur Ehre gereicht, hierzu recht wohl in der Lage sind, wenn nur die Leitung in tüchtigen Händen ruht.

Wir gratulieren den Leipziger Herren zu ihren Erfolgen und empfehlen das Vorgehen derselben den Einzelfahrern anderer Gauverbände zur Nachahmung.

Die Redaktion „Stahlrad“


Gastbeitrag: Die Geschichte der Vereinigung der Einzelfahrer